Der blinde Fleck
Wie findet man einen Einstieg in ein Thema aus dem es keinen Ausstieg gibt?
Rassismus - der blinde Fleck der Kunstgeschichte.
Man versucht nicht-weißen Unternehmen, Aktivisten:innen und Künstler:innen eine Bühne zu bieten, Betroffenen zuzuhören anstatt über sie zu sprechen und vor allem sich selbst kritisch zu hinterfragen. Doch was machen die Museen und Kultureinrichtungen die gerade diese „kritische“ Epochen behandeln? Wie so oft, hüllen sich die Kulturinstitutionen, die das 16. bis 19. Jahrhundert ausstellen, in Schweigen.
Warum ist das so?
Die Frage nach dem Umgang mit Rassismus ist, wie viele gesellschaftskritische Themen, für einige Museen wie die Büchse der Pandora. Aus Angst vor dem hereinbrechenden Unheil, entschließt man sich die Kiste und das damit einhergehende Thema gar nicht erst zu öffnen und sie tief im Depot zu verstecken, in der Hoffnung, dass lange kein Licht mehr darauf geworfen wird.
Die Folge? Die Institutionen werden zum Schatten ihrer selbst, verlieren den Bezug zur Aktualität, und noch schlimmer, den Bezug zu ihrer eigenen Geschichte, zur Gesellschaft und ihren Besucher:innen.
Warum scheinen viele Institutionen solche Probleme damit zu haben, kritische Themen offen zu behandeln?
Das hat unterschiedliche Gründe, jedoch ist einer davon der Sammlungs- und Forschungsschwerpunkt. In Deutschland finden sich knapp 6.800 Museen. Zu den beliebtesten zählen die Kunstmuseen und ins besondere die Sammlungen der Alten Meister. Historienbilder, Szenen aus der Bibel oder Mythologie und Porträts aus den letzten 500 Jahren ziehen jährlich Millionen Besucher:innen in ihren Bann. Eines bleibt dabei aber unsichtbar: Lässt man den Blick durch die Galerien schweifen, stellt sich die Frage: Sind auch nicht-weiße Menschen zu sehen? Und wenn ja, wie werden sie gezeigt und inszeniert?
Findet man eins der seltenen Beispiele, wird die Rollenverteilung schnell deutlich. Der weiße Mann ist überlegen. Die Schwarze Figur tritt entweder als Sklave, Diener:in, Wilde:r oder exotisches Beiwerk auf, denn wie sollte es auch anders sein? Schließlich schrieb der Kolonialismus genau diese Machtverhältnisse vor. Das exotische Obst, der schwarze Pfeffer und Zucker, das weiße Gold- alles Zeugnisse der Arbeit Schwarzer Sklaven, versteckt im niederländischen Stillleben, getarnt hinter dem moralischen Zeigefinger und der Warnung vor Maßlosigkeit. Die Menschen, die hinter diesen Produkten stehen bleiben dabei jedoch unsichtbar.
Die Sammlungen der Moderne und der Zeitgenössischen Kunst machen es selten besser. Imaginationen oder die Aneignung der Schwarzen Kultur sind breit vertreten, werden romantisiert und fetischisiert, aber Schwarze Künstler:innen? Eine Ausnahme.
Doch wie lässt sich dieser Missstand erklären? Das Problem ist kein persönliches, sondern ein systematisches. Die Universitäten legen häufig einen Schwerpunkt auf europäische Kunstgeschichte, unterrichtet von weißen Professoren, besucht von weißen Student:innen. Somit wird die Forschung auch von eben diesen geformt und getragen. Die Institutionen greifen auf diese Forschung zurück, und gehen mit ihrer sehr homogenen Belegschaft in Ausstellungen eben auf diese Themen und Standpunkte ein.
Wenn die Kunst der Spiegel der Gesellschaft ist, wer wird dann in solch einem Museum repräsentiert? Wieso sollte eine nicht-weiße Person in diese Häuser kommen? Wie muss es sich anfühlen in einer Gesellschaft zu leben, in der man sich nirgendwo gesehen oder angemessen repräsentiert fühlt? Jetzt denken Sie vermutlich: Früher war es eben anders. Doch wie ist es heute? Wie viele Politiker:innen mit Migrationshintergrund finden sich heute im Bundestag? Wie viele Personen in Führungspositionen? Wer sind die Repräsentant:innen der Kultureinrichtungen heute?
Transparenz könnte die Lösung für das Problem sein. Wir haben keine Kunstwerke, die nicht-weiße Menschen zeigen? Dann thematisieren wir es, und sagen WARUM sie unsichtbar sind. Wir haben Bilder mit rassistischen Rollenbildern? Stellen wir sie in einen kritischen Kontext. Wir haben keine Diversität in unserer Belegschaft? Wir schaffen mehr Diversität und stellen People of Colour ein.
Egal ob Universität, Museum oder Gruppe, wir stehen in der Pflicht den Rahmen für ein Gespräch, kritische Diskussionen und einen empathischen Austausch zu schaffen, damit dieser Spiegel nicht leer bleibt und jede:r die Chance hat sich selbst in der Kunst wieder zu finden.
(AS/KC)